MusikWoche

Recorded & Publishing

MusikWoche: Was waren herausragende Wegmarken in der Entwicklung von [Zyx](/company/zyx-music)?
Christa Mikulski: In 30 Jahren ist so viel passiert, der Medienmarkt hat sich ständig gewandelt, einzelne Wegmarken sind schwer zu nennen. Jeder Erfolg ist ein Mosaiksteinchen, und zusammen ergeben sie das Bild unserer Erfolgsgeschichte.

MW: Wie würden Sie ihre Unternehmensphilosophie beschreiben? Hat sich diese im Lauf der Jahre grundlegend verändert?
Ralf Blasberg, General Manager: In den 80er- und 90er-Jahren hat Zyx nicht nur Trends gesetzt, sondern als eines der wichtigsten Unternehmen der Musikindustrie auch Trends umgesetzt und etabliert. Mit teilweise acht von zehn Titeln in den Top Ten der deutschen Charts zählte Zyx zu den Meinungsmachern der Musikbranche in den Neunzigern. Eine der Erfolgssäulen war der Verkauf der Maxi-CD. Leider ist diese Säule mit Beginn des neuen Jahrtausends völlig weggebrochen, sodass in Windeseile neue Konzepte und neue Strategien gefunden werden mussten. Gleichzeitig ist die gesamte Branche in eine massive Rezession hineingelaufen, die auch eine deutliche Marktkonzentration zugunsten der Majors mit sich brachte. Somit galt es, gleich zwei Baustellen zu bearbeiten. In diesen mehr als schwierigen Zeiten hat sich Zyx zu einem sehr gezielt arbeitenden Katalogvermarkter mit ausgesuchten Schwerpunkten entwickelt. Auch die Hinzunahme der DVD und des Hörbuchs in das Portfolio hat sich hier als effiziente Maßnahme erwiesen. Heute arbeitet Zyx erfolgreich in unterschiedlichen Nischen und vermarktet mit gezielten Analysen einen sehr breit aufgestellten Gesamtkatalog offensiv und additiv zu den Anforderungen des Marktes. Trotz aller Veränderungen ist der Leitgedanke, ein Independent-Unternehmen zu gestalten, immer noch maßgebend.

MW: Wie viele Tonträger hat Zyx in 30 Jahren veröffentlicht?
Mikulski: 533.275 Stück, das kann nachgezählt werden.

MW: Was waren die größten Erfolge von Zyx?
Mikulski: Rednex: "Cotton Eye Joe", Whigfield: "Saturday Night", Modo: "Eins Zwei Polizei" sowie Gigi D'Agostino, In-Grid, Creedence Clearwater Revival, Down Low, Caught In The Act, 2Unlimited, etc. etc. etc.

MW: Auf welche Entwicklungen des Marktes wird sich Zyx in den kommenden Jahren einstellen müssen?Blasberg: Die Neuverteilung von physischer Ware wie CD, DVD und Blu-ray und nonphysischer Vermarktung stellt Zyx gemeinsam mit allen in der Branche tätigen Unternehmen täglich vor neue Herausforderungen. Verändertes Konsumverhalten im Umgang mit Musik und Video als auch im Umgang mit Kauf von Ware über traditionelle Flächen, nichttraditionellen Impulskäufen bis hin zu Konsum von physischem oder auch nichtphysischem Produkt über Onlineportale erfordern ein komplexes Handeln und Agieren wie Reagieren. Diese Herausforderungen müssen zudem mit einem wirtschaftlich effizient aufgestellten Team europa- und weltweit bewältigt werden - eine wahrhaft nicht einfache Aufgabe!

MW: Wie ist das Unternehmen jetzt aufgestellt? Wie viele Mitarbeiter haben Sie, welche Abteilungen, Aktivitäten und Umsatzsegmente?
Mikulski: Durch die Wandlung des Musikmarktes sind unsere Schwerpunkte Eigenproduktionen von CDs und DVDs für die Vermarktung weltweit sowohl physisch als auch digital. Im Geschäftsfeld "Ausländische Vertriebe" haben wir etwa 20 Mitarbeiter, für Inlandsvertrieb und Logistik 35 Mitarbeiter und im Produktions- und Lizenzbereich ebenfalls 35 Mitarbeiter. Weiterhin sind wir im Dance- und Popbereich und seit einiger Zeit auch im Rockbereich tätig. Traditionell bedingt haben wir nach wie vor Jazz und Blues. Im DVD-Bereich befassen wir uns mit Konzertmitschnitten, Kultfilmen und Special Interest. Seit drei Jahren bauen wir einen eigenen Hörbuchverlag auf.

MW: Welche Vor- oder Nachteile bietet für Sie der Standort Merenberg? Gab es Überlegungen, in eine Großstadt umzuziehen?
Gregor Minnig, Director A&R: Da wir größtenteils unser Repertoire aus dem Ausland bezogen haben, war und ist der Standort Merenberg nie ein Problem. Außerdem ist die Nähe zu Frankfurt und Köln (jeweils eine Stunde entfernt) auch von einem gewissen Vorteil, denn der Bezug zur "Szene" geht so nicht verloren. Die ersten Techno-Titel (zum Beispiel "Electrica Salsa" von Off) stammten ja aus Frankfurt, wie ein Großteil der End-80er Techno- und Electroszene, die bei Zyx Music ihren Anfang nahm. Ein Unternehmen dieser Größenordnung in einer Großstadt anzusiedeln, wäre auch logistisch nicht wirklich machbar. Als Anfang der 2000er der große Run nach Berlin einsetzte, haben wir auch kurz überlegt, eine Dependance in der Hauptstadt zu eröffnen, sind jedoch schnell wieder davon abgekommen. Der Abzug vieler Medienunternehmen aus Berlin gibt uns da nun Recht. Nachteilig wirkt sich manchmal der Standort in der Provinz bei der Mitarbeiter-Nachwuchsförderung aus. Da wir ein ausbildender Betrieb für eine Vielzahl von kaufmännischen Berufen sind, ist es hin und wieder der Fall, dass es talentierte junge Leute nach der Ausbildung in eine Großstadt zieht. Ansonsten kann man sich bei uns herrlich aufs Wesentliche konzentrieren und ist vor den Verlockungen der großen weiten Welt "geschützt". Der Blick aus dem Fenster ins Grüne hat auch etwas Inspirierendes und Beruhigendes.

MW: Wo liegen heute im Musikbereich die Repertoireschwerpunkte?
Minnig: Traditionell spielen wir natürlich unsere Kompetenz in Sachen Dance Music aus. Die erfolgreichste Dance-Compilation Deutschlands, "sunshine live", die wir in Zusammenarbeit mit dem Label Toptrax und Radio sunshine live seit vielen Jahren vermarkten, zeigt dies. Außerdem haben sich Serien wie die Reihe "House" oder "House - The Vocal Session" sowie die Trendcompilations "Minimal Techno" und "Minimal House" erfolgreich und fest in der Szene und im Markt etabliert. Durch das Label BHM halten wir traditionell den Jazzbereich sehr erfolgreich hoch und haben durch die Erfolge der Band Megaherz und der Etablierung des Labels Golden Core Records die Bereiche Rock/Metal und Gothic fest im Hause Zyx installieren können. Kooperationen mit dem Wacken Open Air (DVD und Compilations) sowie das Signing des Metal-Urgesteins U.D.O. haben uns in diesem Bereich eine große Glaubwürdigkeit verschafft. Sampler wie die "Gothic Spirits"-Reihe und "Opera Metal" treffen den Nerv der Zielgruppe und erzielen bemerkenswerte Umsätze. Wir haben uns also vom klassischen Dance- und Jazz-Anbieter zum Major- Independent mit einer Vielzahl von Stilrichtungen weiterentwickelt. Jürgen Fritsche, Marketing Hörbuch: Als Hörbuchverlag, der in der Tonträgerbranche zu Hause ist, kennen wir natürlich diesen preissensiblen Markt genau und kalkulieren unsere Produkte entsprechend. Unsere Philosophie, liebevoll verpackte Tonträger in erstklassiger Sprecher- und Tonqualität zum günstigen Preis anzubieten, zahlt sich immer mehr aus. Bestes Beispiel dafür ist das "Große Märchenhörbuch", ein veritabler Bestseller, der auf acht CDs im wertigen Digifile die schönsten Werke der Gebrüder Grimm, Hans Christian Andersens, Ludwig Bechsteins und Wilhelm Hauffs zum Ladenpreis von 14,95 Euro versammelt - gelesen von Sven Görtz, dessen Lesung der Bibel ihn zu einem der wichtigsten Akteure der deutschen Hörbuchszene gemacht hat. Neben den Klassikern der Literatur, darunter auch Twain, Poe, Goethe, Mörike, de Maupasssant, Tschechow u.v.m., bietet Zyx auch eine breite Palette von Hörbüchern und Hörspielen des Bestsellerautors Wolfgang Hohlbein, der über 25 Millionen Bücher verkauft hat. Zu nennen ist hier der Dauerbrenner "Der Greif", der im August anlässlich des 20. Jahrestags der Erstveröffentlichung des Buches in einer aufwendigen "Limited Edition" aufgelegt werden wird, sowie die "Drachenthal"-Serie in drei Ausgaben, die "Chronik der Unsterblichen" mit bis dato zwei Teilen sowie "Blutkrieg" in einer Fünf-CD-Edition. Eine breite Palette mit Kinderhörspielen und -hörbüchern rundet die Palette ab. Im Aufbau befindlich ist die offensichtlich für den Tonträgerbereich sehr wichtige Sparte des Erotikhörbuchs.

MW: Welchen Anteil hat das DVDGeschäft - Musik und Special Interest - am Gesamtumsatz von Zyx?
Blasberg: Der DVD-Anteil beträgt im mittlerweile siebten Jahr nach Neueinführung des Produkts in den Zyx-Katalog rund 15 Prozent. Es wäre wünschenswert, wenn der stationäre Handel dem nachgewiesen stabilen Interesse für dieses Produkt auch entsprechend Aufmerksamkeit widmen würde. Die sogenannte Lagerreichweite als Flächenbemessungskriterium wird vielfach den Wünschen und Bedürfnissen der Endverbraucher überhaupt nicht mehr gerecht. Amazon nutzt diese Schwäche und zeigt, wie man hier erfolgreich agiert.

MW: Wie wichtig ist das Auslandsgeschäft?
Blasberg: Das Auslandsgeschäft ist für uns in vielfacher Hinsicht ein sehr wichtiges Standbein. Zyx operiert mit sieben Auslandsfilialen vorwiegend in Europa, aber auch in den USA. Insofern können wir nach wie vor effizient unsere Produkte international sehr gut vermarkten und platzieren, ohne dabei eine zentrale Koordination aufgeben zu müssen. Dies wirkt sich aber auch positiv auf die Entwicklung bestimmter Produkte oder Produktlinien aus. Nicht selten funktionieren bestimmte Genres zunächst nur in einem Teil von Europa und verteilen sich dann über den Kontinent bis in unser Kerngebiet Deutschland, Österreich und Schweiz. Alle diese Entwicklungen können wir durch das eigene Netzwerk kosteneffizient beeinflussen. Last but not least kann eine internationale Vermarktung auch Kursschwankungen ausgleichen, wenn auch nicht immer im wünschenswerten Maße. Unsere Produktgestaltung wird immer so international wie möglich ausgerichtet.

MW: Welches sind die hoffnungsvollsten jungen Künstler im aktuellen Artist Roster? Lohnt es sich heutzutage überhaupt noch, neue Acts im klassischen A&R-Sinn aufzubauen? Uwe Hager, Head of Jazz: Da kann man geteilter Meinung sein, und im klassischen Mainstream-Pop-Bereich mag das fast unmöglich sein, jedoch steht es außer Frage, im Nischenbereich bei allen Schwierigkeiten im Markt positive Impulse zu entwickeln, die gerade im Bereich der Verkäufe von 5000 bis 10.000 liegen. Dem Aufbau von Künstlern im Jazz und Blues oder eher von Acts, die unter dem Begriff Weltmusik agieren, sind gute Entwicklungsmöglichkeiten gegeben, wenn Gesamtkonzepte mit allen Partnern abgestimmt und durchweg vernünftig geplant werden können. Ein Beispiel ist das neue Album der kubanischen Band Pasión de Bunea Vista, die mit umfangreicher Zusammenarbeit der Booking-Company quer durch Europa tourt und vor kurzem den Radio Regenbogen Award gewonnen hat. Andere Beispiele sind der Aufbau der Künstler Henrik Freischlader, tok tok tok und Mark Selby, die teilweise weit über 20.000 Stück pro CD verkauft haben oder dabei sind, sich aus einer Szene heraus zu entwickeln. Vielleicht dauert es länger als früher, aber es geht.
Minnig: Ich kann Uwe Hager da nur zustimmen. Wir scheuen nicht vor dem Aufbau neuer Künstler zurück, zum Beispiel haben wir im Rock/Pop-Bereich kürzlich die Münchner Band Schöngeist unter Vertrag genommen, die von Carlos Péron (Yello) produziert wurde. Nur ist es in der heutigen Situation umso mehr vonnöten, dass die Bands und Newcomer einen Großteil zu ihrem Erfolg mit beitragen - sich nur noch auf die Plattenfirma zu verlassen geht nicht mehr. Außerdem haben wir immer den Wirtschaftlichkeitsaspekt im Hinterkopf und kontrollieren Erfolg und Misserfolg anhand von vorangegangenen Kalkulationen. Ist eine Zielstufe erreicht, folgt der nächste Schritt. So behalten wir unsere Investitionen im Griff und "verbrennen" unsere Künstler nicht gleich mit "Brechstangen-Marketing".

MW: Wie hat Zyx den Verlust von Labels wie Prestige, Fantasy oder Milestone im Jazzbereich kompensiert?
Hager: Durch den Aufbau der Labels BHM im Premium Jazz Segment (Joe Zawinul, Bill Evans, Maceo Parker, Randy Brecker, tok tok tok) und pepper cake im Blues-/Bluesrock-Bereich (Mark Selby, Chuck Leavell, Henrik Freischlader) wurde ein umfangreiches Repertoire aufgebaut, das mittlerweile mehrere Grammys & Jazzawards erhalten hat. So bekam Randy Brecker für "Randy In Brasil" einen Grammy für das beste Jazzalbum.

MW: Zyx veröffentlicht noch immer viele Compilations im Dance-Segment. Wie entwickelt sich dort das Geschäft?
Fritsche: Ein schwieriger Markt, aber aufgrund konsequenter Veröffentlichungspolitik ist er weiter ein wichtiger Umsatzbringer. Natürlich leiden die Verkaufszahlen der Dance-Compilations aus mehreren Gründen. Erstens haben wir es mit jungen Zielgruppen zu tun, die für den Kauf eines physischen Tonträgers immer seltener zur Verfügung stehen, zweitens schrumpfen die Verkaufsflächen für Tonträger dieser Art. Zyx hat großen Erfolg mit der Strategie, Serien wie unsere "House"-Reihe in vielen Varianten (z.B. "House 2009", "House- The Vocal Session", "House In The Mix")...

O-Ton: Christa Mikulski und ihr Zyx-Team